Bedeutung von Kontext und Fachwissen

Über die Bedeutung von Kontext und Fachwissen

„DeepL hat wunderschön formuliert übersetzt, was der Verfasser AUCH hätte sagen können.“

Manchmal klingt eine maschinelle Übersetzung so als würde man einzelne Elemente in einen Sack werfen und wild durchschütteln und sie dann wieder in einer gut klingenden Reihenfolge zusammensetzen. Würden sie sich bei schwerwiegenden Fällen darauf verlassen wollen bzw. würden Sie das bei wirklich schwierigen Sachverhalten wieder auseinanderklauben wollen bzw. würden Sie davon ausgehen, dass sich hier mit so einer Vorübersetzung Zeit und Geld sparen lässt?

Eine Maschine vergleicht beispielweise auch 2 Statistiken und erkennt Übereinstimmungen, aber ist die Logik der Korrelation auch wirklich wahr, dass man also, wenn man Käse konsumiert, sich z.B. wahrscheinlich auch im Bettzeug so verheddern könnte, dass man einen Erstickungstod stirbt? Ist Käsekonsum ein tödliches Vergnügen und man sollte davon Abstand halten, wenn man nicht im Bett ersticken möchte oder korrelieren die beiden Wahrscheinlichkeiten einfach nur zufällig?

https://errorstatistics.com/2015/05/04/spurious-correlations-death-by-getting-tangled-in-bedsheets-and-the-consumption-of-cheese-aris-spanos/

DeepL übersetzt sowohl „audit findings“ und „audit results“ mit Auditergebnisse. Es handelt sich jedoch (im ersten Fall) um Feststellungen bei Audits und nur im zweiten Fall um Auditergebnisse.

Ein „major finding“ ist nicht nur eine wesentliche Feststellung, sondern eine gewichtige Feststellung (F3, auf einer definierten Skala). Der allgemeinsprachliche Begriff ist hier nicht richtig.

Außerdem kann es sich bei einem „audit“ (englischer Begriff) auch nur um eine Überprüfung handeln.

„control of conception“ übersetzt Trados (bei 70 % Übereinstimmung) in einer QM-Vereinbarung mit „Steuerung der Produktion“. Da es sich jedoch um die QM eines Medizinproduktherstellers handelt, ist diese Übersetzung absolut falsch! Es handelt sich um „Empfängnisverhütung“. Hier hilft die Vorübersetzung in der Satzdatenbank keinesfalls. Deshalb sind Matches trügerisch und ein Match von 85 % ist erfahrungsgemäß nicht wirklich hilfreich.

Identische Begriffe werden von DeepL nicht einheitlich übersetzt, was bei juristischen Übersetzungen negative Konsequenzen haben kann.

Reply ist im allgemeinsprachlichen Englisch einfach eine Antwort oder Entgegnung, auf eine Frage Gesagtes, Gegenrede, Erwiderung, Beantwortung. In der juristischen Sprache gibt es einen großen Unterschied, ob es sich um eine Replik, Duplik, Erwiderung usw. handelt. Replik ist die Erwiderung des Klägers auf die Klageerwiderung des Beklagten, Duplik ist die Erwiderung auf eine Replik. Es gibt noch die Begriffe Klagebeantwortung (internationale Schiedsgerichtsordnung der Schweizerischen Handelskammern) und Klageerwiderung, Antwort/Erwiderung auf den Schiedsantrag. DeepL übersetzt die Begriffe aber abwechselnd und wie es gerade lustig ist als Replik, Duplik, Antwort, Erwiderung und allgemeinsprachliche Begriffe… Hier nimmt mir DeepL als Fachübersetzer keine Arbeit ab (weil es nicht die eigentlich schwierige Aufgabe eines Übersetzers übernimmt), sondern generiert für mich definitiv Mehrarbeit und stellt eine gefährliche Fehlerquelle dar.

Es ist also immer eine Abwägung erforderlich, ob sich die Überarbeitung einer (maschinell erstellten) Vorübersetzung wirklich bezahlt macht und zu Kosteneinsparungen führen kann, oder eher eine teuflische Quelle für möglicherweise grobe Fehler ist. Etwas, was ich als Übersetzer nie so übersetzen würde, kann sich bei der Überarbeitung einschleichen. Für die Überarbeitung von maschinellen Übersetzungen ist weitaus mehr Konzentration erforderlich als für das Korrekturlesen einer eigenen fachlich korrekt und mit Fach- und Sachwissen und Kontextwissen erstellten Übersetzung. Bei der Abrechnung der Überarbeitung von maschinellen Übersetzungen nach Pauschalpreisen besteht für den Übersetzer der Anreiz, die Korrektur möglichst schnell und nicht gründlich durchzuführen, ist es aber nicht ihr Ziel, eine richtige Übersetzung zu haben?

Die wirkliche Arbeit bei Übersetzungen besteht erstens darin, die wahre Bedeutung des Ausgangstextes zu erkennen (als menschlicher Übersetzer oft auf den ersten Blick) und sie dann in der Folge richtig in die Zielsprache zu bringen, häufig besteht die Krux auch in der Erarbeitung von Fachbegriffen. Die Recherche der Begriffe ist oft langwierig. Gerade im juristischen Bereich sind richtige Übersetzungen oft noch nicht in zweisprachigen juristischen Wörterbüchern oder im Internet zu finden, weil z.B. im angloamerikanischen Sprachraum nicht das römische Recht, sondern Common Law die Grundlage des Rechtssystems bildet und es wenige Experten für beide Rechtssysteme parallel gibt. Ein Rechtsübersetzer muss aber beide Rechtssysteme verstanden haben, das Ausgangs- und das Zielrechtssystem, um richtig zu übersetzen. Die Erarbeitung von Fachbegriffen ist also genau einer der Elemente die, was eine Fachübersetzung ausmacht und auch eines der Elemente, die am meisten Zeit kosten.

Weil sich die maschinelle Übersetzung jedoch auf den ersten Blick so gut liest wiegt sich der Leser oft in Sicherheit. Die Fehler werden oft nur auf den zweiten, dritten oder vierten Blick erkannt – was das Korrekturlesen solcher Texte auch so anspruchsvoll macht.